Die Kraft des Glaubens gegen die Herrschsüchtigkeit der Macht
Wir veröffentlichen die Predigt der Bischöfin Mariann Edgar Budde1 zur Inauguration von Präsident Donald Trump, die Pfarrer i.R. Mag. Reinhard Beham übersetzt hat. In ihrer Predigt betonte Bischöfin Budde die Bedeutung christlicher Werte bei der Ausübung des Amtes und rief zu Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit auf.
Trump geriet schnell aus dem Gleichgewicht, als die Bischöfin der anglikanischen Kirche darum bat, christliche Werte bei der Ausübung des Amtes zu berücksichtigen, da diese Werte auch Grundlagen zu Moral und Ethik bilden. Diese einfache Bitte schien ihn zu verunsichern, und seine Reaktionen waren zunehmend unbeherrscht und impulsiv.
Der Entschluss, diesen Predigttext auf unserer Homepage zu veröffentlichen soll dazu ermutigen, sich ein eigenes Bild von der Reaktion des Präsidenten zu machen und darüber nachzudenken, ob seine schroff ablehnende und erniedrigende Reaktion angemessen war. Der Text soll daran erinnern, wie wichtig es ist, christliche Werte in unserem täglichen Leben und in der Ausübung von Ämtern zu berücksichtigen. Außerdem hoffen wir dadurch, eine offene und respektvolle Diskussion über wichtige moralische und ethische Fragen zu fördern. Die Jahreslosung 2025 fordert uns auf, alles zu beobachten und zu hinterfragen. Diese Predigt bietet eine Gelegenheit, diese Prinzipien in die Praxis umzusetzen. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken und diskutieren, wie wir unsere christlichen und moralischen Werte in unserer Gemeinschaft stärken können.

(Gebet)
Oh Gott, du hast uns nach deinem Ebenbild geschaffen und uns durch Jesus, deinen Sohn, erlöst: Sieh mit Barmherzigkeit auf die ganze Menschheitsfamilie; nimm die Arroganz und den Hass weg, die unsere Herzen infizieren; reiß die Mauem nieder, die uns trennen; vereinige uns in Banden der Liebe; und wirke durch unseren Kampf und unsere Verwirrung hindurch, um deine Absichten auf der Erde zu verwirklichen damit zu deiner Zeit alle Nationen und Ethnien dir in Harmonie um deinen himmlischen Thron herum dienen können, durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Amen.
Wer diese meine Worte hört und sich nach ihnen richtet, wird am Ende dastehen wie ein kluger Mann, der sein Haus auf felsigen Grund baute. Als dann die Regenflut kam, die Flüsse über die Ufer traten und der Sturm tobte und an dem Haus rüttelte, stürzte es nicht ein, weil es auf Fels gebaut war. Wer dagegen diese meine Worte hört und sich nicht nach ihnen richtet, wird am Ende wie ein Dummkopf dastehen, der sein Haus auf Sand baute. Als dann die Regenflut kam, die Flüsse über die Ufer traten, der Sturm tobte und an dem Haus rüttelte, fiel es in sich zusammen und alles lag in Trümmern. Als Jesus seine Rede beendet hatte, waren alle von seinen Worten tief beeindruckt. Denn er lehrte wie einer, der Vollmacht von Gott hat – ganz anders als ihre Gesetzeslehrer. (Matthäus 7, 24-29 GNB)
Gemeinsam mit vielen Menschen aus dem ganzen Land haben wir uns heute Morgen versammelt, um für die Einheit der Nation zu beten – nicht für eine politische oder sonstige Einigung, sondern für die Art von Einheit, die die Gemeinschaft über Vielfalt und Spaltung hinweg fördert, eine Einheit, die dem Gemeinwohl dient.
Einheit ist in diesem Sinne die Voraussetzung dafür, dass Menschen in einer freien Gesellschaft zusammenleben können, sie ist, wie Jesus sagte, in diesem Fall der feste Fels, auf den man eine Nation bauen kann. Sie ist keine Konformität. Es ist nicht der Sieg des einen über den anderen. Sie ist weder müde Höflichkeit noch aus Erschöpfung geborene Passivität. Einheit ist nicht parteiisch.
Vielmehr ist Einheit eine Art des Miteinanders, die Unterschiede einschließt und respektiert, die uns lehrt, verschiedene Perspektiven und Lebenserfahrungen als gültig und respektabel zu betrachten; die uns in unseren Gemeinden und in den Hallen der Macht befähigt, uns aufrichtig umeinander zu kümmern, selbst wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Diejenigen in unserem Land, die ihr Leben einsetzen oder sich ehrenamtlich engagieren, um anderen in Zeiten von Naturkatastrophen zu helfen, oft unter großer Gefahr für sich selbst, fragen diejenigen, denen sie helfen, nie, für wen sie bei der letzten Wahl gestimmt haben oder welche Positionen sie zu einem bestimmten Thema vertreten. Es dient uns zum Besten, wenn wir ihrem Beispiel folgen.
Die Einheit ist manchmal aufopferungsvoll, so wie die Liebe aufopferungsvoll ist, eine Hingabe von uns selbst um eines anderen willen. Jesus von Nazareth fordert uns in seiner Bergpredigt auf, nicht nur unsere Nächsten zu lieben, sondern auch unsere Feinde zu lieben und für diejenigen zu beten, die uns verfolgen; barmherzig zu sein, wie unser Gott barmherzig ist, und anderen zu vergeben, wie Gott uns vergibt. Jesus hat sich bemüht, diejenigen aufzunehmen, die in seiner Gesellschaft als Ausgestoßene galten.
Ich gebe zu, dass Einheit in diesem weiten, umfassenden Sinn ein Ziel ist, für das man viel beten muss – eine große Bitte an unseren Gott, die dem Besten, was wir sind und sein können, gerecht wird. Aber unsere Gebete bringen nicht viel, wenn wir so handeln, dass wir die Spaltungen zwischen uns weiter vertiefen und ausnutzen. Unsere Heilige Schrift sagt ganz klar, dass Gott niemals von Gebeten beeindruckt ist, wenn die Taten nicht von ihnen geprägt sind. Gott verschont uns auch nicht vor den Folgen unserer Taten, die letztlich wichtiger sind als die Worte, die wir beten.
Wir, die wir hier in dieser Kathedrale versammelt sind, sind nicht naiv, wenn es um die Realitäten der Politik geht. Wenn Macht, Reichtum und konkurrierende Interessen auf dem Spiel stehen, wenn die Ansichten darüber, was Amerika sein sollte, miteinander in Konflikt stehen, wenn es starke Meinungen über ein ganzes Spektrum von Möglichkeiten und sehr unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, was die richtige Vorgehensweise ist, dann wird es Gewinner und Verlierer geben, wenn Stimmen abgegeben oder Entscheidungen getroffen werden, die den Kurs der öffentlichen Politik und die Prioritätensetzung bei den Ressourcen bestimmen. Es versteht sich von selbst, dass in einer Demokratie nicht alle Hoffnungen und Träume in einer bestimmten Legislaturperiode, einer Amtszeit des Präsidenten oder gar einer Generation verwirklicht werden können. Nicht alle spezifischen Gebete – für diejenigen unter uns, die beten – werden so erhört, wie wir es uns wünschen. Aber für einige wird der Verlust ihrer Hoffnungen und Träume weit mehr als eine politische Niederlage bedeuten, sondern vielmehr den Verlust von Gleichheit, Würde und Lebensgrundlage.
Ist angesichts dessen eine echte Einheit unter uns überhaupt möglich? Und warum sollten wir uns darum kümmern?
Nun, ich hoffe, es ist uns nicht egal, denn die Kultur der Verachtung, die in unserem Land zur Normalität geworden ist, droht uns zu zerstören. Wir alle werden täglich mit Botschaften von dem bombardiert, was Soziologen heute als ,,Empörungsindustriekomplex“ bezeichnen, wobei einige davon von externen Kräften gesteuert werden, deren Interessen durch ein polarisiertes Amerika gefördert werden. Verachtung nährt unsere politischen Kampagnen und die sozialen Medien, und viele profitieren davon. Aber es ist eine gefährliche Art, ein Land zu führen.
Ich bin ein gläubiger Mensch, und mit Gottes Hilfe glaube ich, dass die Einheit in diesem Land möglich ist – nicht perfekt, denn wir sind unvollkommene Menschen und eine unvollkommene Union – aber ausreichend, damit wir weiterhin an die Ideale der Vereinigten Staaten von Amerika glauben und daran arbeiten, sie zu verwirklichen – Ideale, die in der Unabhängigkeitserklärung zum Ausdruck kommen, mit ihrer Behauptung der angeborenen Gleichheit und Würde des Menschen.
Und wir beten zu Recht um Gottes Hilfe bei unserem Streben nach Einheit, denn wir brauchen Gottes Hilfe, aber nur, wenn wir selbst bereit sind, uns um das Fundament zu kümmern, von dem die Einheit abhängt. Wie Jesus ein Haus des Glaubens auf den Felsen seiner Lehre baut und nicht auf Sand, so muss das Fundament, das wir für die Einheit brauchen, stabil genug sein, um den vielen Stürmen standzuhalten, die sie bedrohen.
Was sind die Grundlagen der Einheit? Ausgehend von unseren heiligen Traditionen und Texten möchte ich vorschlagen, dass es mindestens drei gibt.
Die erste Grundlage für die Einheit ist die Achtung der jedem Menschen innewohnenden Würde, die, wie alle hier vertretenen Religionen bekräftigen, das Geburtsrecht aller Menschen als Kinder des einen Gottes ist. Im öffentlichen Diskurs bedeutet die Achtung der Würde des anderen, dass wir uns weigern, diejenigen, mit denen wir nicht einer Meinung sind, zu verhöhnen, herabzusetzen oder zu dämonisieren, und dass wir uns stattdessen dafür entscheiden, respektvoll über unsere Unterschiede zu debattieren und, wann immer möglich, eine gemeinsame Basis zu suchen. Wenn eine gemeinsame Basis nicht möglich ist, verlangt die Würde, dass wir unseren Überzeugungen treu bleiben, ohne diejenigen zu verachten, die ihre eigenen Überzeugungen haben.
Eine zweite Grundlage für die Einheit ist Ehrlichkeit, sowohl im privaten Gespräch als auch im öffentlichen Diskurs. Wenn wir nicht bereit sind, ehrlich zu sein, hat es keinen Sinn, für die Einheit zu beten, denn unsere Handlungen wirken den Gebeten selbst entgegen. Wir könnten eine Zeit lang ein falsches Gefühl der Einheit bei einigen erleben, aber nicht die stärkere, breitere Einheit, die wir brauchen, um die Herausforderungen zu bewältigen, vor denen wir stehen.
Fairerweise muss man sagen, dass wir nicht immer wissen, wo die Wahrheit liegt, und dass derzeit vieles gegen die Wahrheit spricht, und zwar in erschütterndem Ausmaß. Aber wenn wir wissen, was wahr ist, obliegt es uns, die Wahrheit zu sagen, auch wenn – und vor allem wenn – es uns etwas kostet.
Eine dritte Grundlage für die Einheit ist die Demut, die wir alle brauchen, weil wir alle fehlbare Menschen sind. Wir machen Fehler. Wir sagen und tun Dinge, die wir bedauern. Wir haben unsere blinden Flecken und Vorurteile, und wir sind vielleicht am gefährlichsten für uns selbst und andere, wenn wir zweifelsfrei davon überzeugt sind, dass wir absolut Recht haben und jemand anderes absolut im Unrecht ist. Denn dann sind wir nur noch wenige Schritte davon entfernt, uns selbst als die guten und die anderen als die schlechten Menschen zu bezeichnen.
Die Wahrheit ist, dass wir alle Menschen sind, die sowohl zum Guten als auch zum Bösen fähig sind. Alexander Solschenizyn hat scharfsinnig bemerkt: “Die Grenze zwischen Gut und Böse verläuft nicht durch Staaten, nicht zwischen Klassen, nicht zwischen politischen Parteien, sondern mitten durch jedes menschliche Herz und durch alle menschlichen Herzen.“ Je mehr wir uns dessen bewusst werden, desto mehr Raum haben wir in uns selbst für Demut und Offenheit füreinander über unsere Unterschiede hinweg, denn in Wirklichkeit sind wir einander ähnlicher, als uns bewusst ist, und wir brauchen uns gegenseitig.
Es ist relativ einfach, bei feierlichen Anlässen für die Einheit zu beten. Es ist viel schwieriger, sie zu verwirklichen, wenn wir es in der Öffentlichkeit mit echten Unterschieden zu tun haben. Aber ohne Einheit bauen wir das Haus unserer Nation auf Sand.
Mit einem Bekenntnis zur Einheit, das die Vielfalt einbezieht und über Meinungsverschiedenheiten hinausgeht, und den soliden Grundlagen von Würde, Ehrlichkeit und Demut, die eine solche Einheit erfordert, können wir in unserer Zeit unseren Teil dazu beitragen, die Ideale und den Traum von Amerika zu verwirklichen.
Lassen Sie mich einen letzten Appell aussprechen, Herr Präsident. Millionen von Menschen haben Ihnen ihr Vertrauen geschenkt. Wie Sie gestern vor der Nation sagten, haben Sie die schützende Hand eines liebenden Gottes gespürt. Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie, sich der Menschen in unserem Land zu erbarmen, die jetzt Angst haben. Es gibt Transgender-Kinder in Familien von Demokraten, Republikanern und Unabhängigen, die um ihr Leben fürchten.
Und die Menschen, die unsere Feldfrüchte ernten und unsere Bürogebäude putzen, die in unseren Geflügelfarmen und Fleischverarbeitungsbetrieben arbeiten, die in Restaurants das Geschirr nach dem Essen abwaschen und in Krankenhäusern die Nachtschicht übernehmen – sie sind vielleicht keine Staatsbürger oder haben nicht die richtigen Papiere, aber die große Mehrheit der Einwanderer ist nicht kriminell. Sie zahlen Steuern und sind gute Nachbarn. Sie sind treue Mitglieder unserer Kirchen, Moscheen und Synagogen, Gurdwara und Tempel.
Haben Sie Erbarmen, Herr Präsident, mit den Menschen in unseren Gemeinden, deren Kinder befürchten, dass ihre Eltern weggebracht werden. Helfen Sie denjenigen, die aus Kriegsgebieten und vor Verfolgung in ihren Heimatländern fliehen, hier Mitgefühl und Aufnahme zu finden. Unser Gott lehrt uns, dass wir dem Fremden gegenüber barmherzig sein sollen, denn auch wir waren einst Fremde in diesem Land.
Möge Gott uns allen die Kraft und den Mut geben, die Würde eines jeden Menschen zu achten, die Wahrheit in Liebe zu sagen und demütig miteinander und mit unserem Gott umzugehen, zum Wohle aller Menschen in diesem Land und in der Welt.
Amen.

Seid nicht gutgläubig und nickt nicht einfach, sondern zeigt auf, wenn Unmoral, Ichbezogenheit, Machtmissbrauch, Lügen und Raffgier nur wenigen Menschen zu Geld und Macht verhelfen, während der Großteil der Unterstützer missbraucht und manipuliert werden, um diese Wenigen zu stärken. Lasst uns für Gerechtigkeit, Wahrheit und Mitmenschlichkeit einstehen und nicht Intoleranz und Lügen zu tolerierbaren Moralvorstellungen werden.

- Mariann Edgar Budde (* 10. Dezember 1959 in New Jersey) ist eine US-amerikanische Geistliche. Seit 2011 amtiert sie als Bischöfin der Episcopal Diocese of Washington der Episkopalkirche der Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Kirche ist Teil der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft.
Quelle: wikipedia ↩︎